Öffentliches Recht
Das Rechtssystem in Deutschland ist dreigegliedert. Man unterscheidet dabei das Straf-, das Privat- und das Öffentliche Recht. Letzteres regelt die Rechtsverhältnisse zwischen dem Staat und seinen Bürgern, sowie die Organisation und Funktion des Staates. In Abgrenzung dazu, regelt das Privatrecht die Rechtverhältnisse der Bürger untereinander und das Strafrecht pönalisiert bestimmte rechtverletzende oder rechtsgefährdende Handlungen und unterliegt im Grunde zwar ebenfalls dem öffentlichen Recht, wird aber als eigenständig angesehen, weil es diesem historisch voraus geht.
Die Rechtsquellen und Rechtsgebiete des Öffentlichen Rechts
Das öffentliche Recht ist im internationalen Vergleich in Deutschland sehr stark reguliert. Sehr viele Detailgesetze geben einen festen Rahmen an Regelungen vor und ermöglichen natürlichen und juristischen Personen ein hohes Maß an Rechtssicherheit.
Der Prominenteste Bereich des Öffentlichen Rechts ist das Staats- und Verfassungsrecht. Rechtgrundlage ist in erster Hinsicht das Grundgesetz (GG) und damit verknüpfte Gesetzte wie das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Ebenfalls dem öffentlichen Recht zugehörig sind das Völkerrecht, welches sich auf bi- und multilaterale Abkommen und interstaatliche Verträge stützt, sowie das Europarecht, dessen Primärrecht, der Vertrag über die Europäische Union (EUV), den Aufbau und die Funktion der europäischen Institutionen vorgibt. Die EU hat zahlreiche Verordnungen und Richtlinien erlassen, die in den Mitgliedsstaaten direkte bzw. mittelbare Wirkung haben. Zu denken ist dabei z.B. an das gesamte Verbraucherrecht, dessen Bedeutung und Wirkungsgehalt aufgrund der fortlaufenden Arbeit der EU sehr weit fortentwickelt wurde, wodurch die Rechte der Verbraucher in den letzten beiden Dekaden stark verbessert werden konnten.
Daneben gibt das allgemeine- und das Besondere Verwaltungsrecht, das aus Teilbereichen besteht, von denen man beinahe täglich tangiert wir. Dazu zählen das öffentliche Baurecht mit dem Baugesetzbuch (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO), das Polizeirecht mit dem Polizeigesetz (PolG), das Versammlungsrecht mit dem Versammlungsgesetz (VersammlG), Das Staatsbürgerschafts- und Asylrecht mit den Staatsbürgerschaftsgesetz (StAG) und dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Ein weiterer Bereich ist das weitläufige Wirtschaftsverwaltungsrecht, welches sich nochmals in Gewerberecht, Kartellrecht, Subventionsrecht und Wettbewerbsrecht unterteilt. Maßgebliche Gesetze in diesem Bereich sind die Gewerbeordnung (GewO) und Handwerksordnung (HwO), sowie das Gaststätten- (GastG) und das Ladenschlussgesetz (LadSchlG). Außerdem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Subventionsgesetz (SubvG).
Typische Streitgegenstände des öffentlichen Rechts
Dem weiten Wirkungskreis des öffentlichen Rechts entsprechend, ist das Spektrum der tatsächlichen und möglichen Fallgestaltungen praktisch unendlich. Medial sehr wirksam und in jederlei Hinsicht bedeutend sind die Streitigkeiten, die vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen werden. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Klagen im Bereich des öffentlichen Rechts. Besonders häufig sind dabei Klagen gegen Gesetze und Gerichtsentscheidungen. Bekannte Entscheidungen sind z.B. das Kopftuchurteil von 2003, wodurch dem Land Baden-Württemberg untersagt wurde, das Tragen eines Kopftuches ohne gesetzliche Grundlage zu verbieten und eine fehlende Eignung für den Staatsdienst zu schlussfolgern (2 BvR 1436/02). Ebenfalls bekannt ist die Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz von 2006, durch welche Art. 14 Abs. 3 LuftSiG als nichtig erklärt wurde (1 BvR 357/05). Hintergrund war, dass dem Staat durch diese Norm der Abschuss von entführten Passagierflugzeugen erlaubt wurde, womit sich das Bundesverfassungsgericht nicht einverstanden sah. Zum einen gebe es keine Ermächtigung für den Gesetzgeber, den Einsatz der Streitkräfte im Inneren zu normieren, zum anderen verstoße die Abschussermächtigung gegen die Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben, der in der entführten Maschine gefangenen Passagiere.
Die anderen Bereiche des öffentlichen Rechts sind zwar weniger spektakulär, können aber im Leben eines jeden Einzelnen jederzeit zum Lebensmittelpunkt werden.
Zu denken ist da an die vielen Streitigkeiten zwischen Grundstücksnachbarn, die von einfachen Grenzüberschreitungen durch Überbauungen, bis hin zu Lärm- und Geruchsbelästigung reichen und für die Betroffenen erhebliche körperliche und seelische Belastungen mit sich bringen. Oder die zahlreichen Regelungen im Wirtschafsverwaltungsrecht, zu denen Unternehmer regelmäßig und oftmals unbeabsichtigt, also im Prinzip aus schierer Unkenntnis, in Konflikt geraten. Dabei wird erkennbar, dass das hohe Maß an Rechtssicherheit in Deutschland, durch ein entsprechend großes Informationsbedürfnis seitens der Adressaten und Betroffenen belastet ist und dieses Informationsbedürfnis nur mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand gedeckt getan werden kann.