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Struktur des Umweltrechts

Unter Umweltrecht versteht man die alle Rechtsnormen, die einen Schutz vor Beeinträchtigungen bzw. die Erhaltung der Ökosysteme zum Ziel haben. So wie der Umweltschutz ein fachübergreifendes Thema ist, ist das Umweltrecht eine Querschnittsmaterie und kein scharf abgegrenztes Rechtsgebiet. Umweltbezogene Rechtsvorschriften finden sich nicht nur verstreut über viele Gesetze, sondern sind zusätzlich ein quantitatives Problem. Europarechtliche Vorgaben zu Umweltthemen inflationieren wegen der föderalen Struktur bei der Umsetzung in deutsches Recht die Anzahl der in Deutschland zu erlassenden Gesetze. Zur nationalen Umsetzung eines neuen Brüsseler Erlasses müssen der Bund und die 16 Länder dann insgesamt 17 Regelungen erlassen.

Als ausgesprochene Umweltgesetze kann man lediglich die Gesetze und Verordnungen bezeichnen, die ausschließlich umweltpolitisch motiviert sind. Deren Überwachung liegt typischerweise beim Bundesumweltministerium. Das Ministerium fasst diese in neun Gruppen mit folgenden Überschriften zusammen:

– Allgemeiner Umweltschutz
– Abfallwirtschaft
– Chemikalienrecht
– Erneuerbare Energien / Klimaschutz
– Gewässerschutz
– Immissionsschutz
– Kerntechnische Sicherheit und Strahlenschutz
– Naturschutz und Landschaftspflege
– Sonstige Umweltgesetze

Unter diesen Kategorien sind insgesamt 269 Gesetze, Erlasse und Verordnungen zusammengefasst, wohingegen zahlreiche andere und wichtige umweltbezogene Rechtsvorschriften z.B. über das Grundgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch und eine große Anzahl landesrechtlicher Vorschriften verteilt sind.

Es gibt zusätzlich Gesetze und Verordnungen in der Verantwortung anderer Bundesministerien, die z.B. den traditionellen Gesundheitsschutz oder auch die Arbeitsplatzsicherheit betreffen, deren Inhalt und Zielrichtung aber moderner eigentlich in großen Teilen dem Umweltrecht zugeordnet werden können. Auch hier zeigt sich die Zersplitterung der umweltrechtlichen Vorschriften.

Weiterhin existieren zahlreiche Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände zu Umweltschutzdelikten, von den die schwereren zwar nicht in einem separaten Gesetz, sondern wenigstens in einem gesonderten Abschnitt des Strafgesetzbuches in den §§ 324 – 330d zu finden sind. Aus strafrechtlicher Hinsicht enthalten dann die meisten Umweltschutzgesetze noch zusätzlich spezielle, auf die jeweilige Materie bezogene Vorschriften zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

Umweltrecht und Anwalt

Viele Umweltwissenschaftler und Umweltjuristen fordern schon seit langer Zeit , das Umweltrecht in einem Umweltgesetzbuch zusammenzufassen. Da „Umwelt“ aber ein Querschnittsthema ist, enthalten ausnahmslos alle Rechtsgebiete letztlich umweltbezogene Vorschriften. Und so, wie Umweltbewusstsein immer weitere Bereiche des Lebens erfasst, und wie Umweltlösungen fast immer komplexere, fachübergreifende Maßnahmen benötigen, kann fast jede Gesetzesnorm unter Umweltgesichtspunkten betrachtet werden. Umgekehrt kann aber auch jede Umweltvorschrift einem der klassischen Bereichen des Rechtssystems, Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht und Privatrecht zugeordnet werden.

Nicht nur wegen des immensen Aufwandes einer Konsolidierung der vielen Umweltvorschriften in einem Gesetzbuch gibt es in Deutschland weder ein Umweltgesetzbuch, noch gibt es eine formalisierte Institution des Fachanwaltes für Umweltrecht. Gleichwohl sollte man jeden Fachanwalt in seinem Fach de facto auch als Umweltanwalt sehen, wenn er besondere umweltbezogene Erfahrungen auf seinem Fachgebiet vorweisen kann. So wird es auch in Zukunft in den meisten Fällen angezeigt sein, für rechtlichen Rat in Umweltfragen den Rechtsexperten des traditionellen Rechtsgebietes aufzusuchen, dem auch das jeweilige Umweltproblem zuzuordnen ist. Dazu unten einige Beispiele.

Tipps zur Anwaltsauswahl

Bei Streitigkeiten im privaten Bereich mit einem Nachbarn, der negative Umwelteinflüsse auf das Nachbargrundstück zu verantworten hat, wird man am besten einen primär privatrechtlich versierten Anwalt einschalten. Im Bereich des Privatrechtes gibt es viele traditionelle Rechtsvorschriften, die erst heutzutage mit der wachsenden Bedeutung der Umweltidee allgemein als ausdrücklich umweltbezogen betrachtet werden. Deshalb wird man für den Bereich des umweltbezogenen Privatrechts ein besonders breites Angebot an geeigneten Anwälten finden.

Zur Abwehr einer Strafanzeige wegen eines Umweltdeliktes wird nach wie vor ein guter Strafanwalt aufzusuchen sein. Man ist aber gut beraten, den Strafrechtsexperten nach seinen besonderen Erfahrungen in Umweltstrafsachen zu fragen.

Gibt es rechtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Investor und einer Genehmigungsbehörde über die Anwendung von Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes z.B. bei einer Betriebserweiterung, so wird ein Fachanwalt auszusuchen sein, der sich im Baurecht besonders gut auskennt. Besonders wichtig sind in solchen Fällen Rechtskenntnisse auf dem Gebiet des Bundesimmissionsschutzgesetzes in Kombination mit dem Baurecht. Auch hier gibt es Fachanwälte mit besonderen Erfahrungen mit umweltbezogenen Rechtsfällen.

Damit eng verwandt sind die meisten Fälle, bei denen es um Raumordnungs- oder Planungsfragen geht, da diese fast alle direkte Berührungspunkte zu Umweltproblemen haben. Deshalb sind Fachanwälte für Planungsrecht besonders oft auch mit umweltbezogenen Rechtsthemen vertraut.

Lediglich in Fällen, wo die Größe und Bedeutung eines Industriezweiges oder Rechtsthemas bereits Fachanwälte für bestimmte umweltkritische Branchen hervorgebracht hat, wird es sinnvoll und überhaupt möglich sein, einen überwiegend umweltrechtlich tätigen Anwalt in Anspruch zu nehmen. Typische Beispiele wären umweltrechtliche Fälle aus der Atomindustrie, der Chemieindustrie, der Abfallwirtschaft oder beim Planungsrecht und bei Verfassungsfragen. Die Atomindustrie, die Chemieindustrie, und die Abfallwirtschaft gehen primär mit industriespezifischen, umweltkritischen Stoffen und Verfahren um. Deshalb sind deren traditionelle Anwälte naturgemäß auch besonders gut auf die Umweltfragen solcher Industrien spezialisiert.

Und wenn eine Bürgerinitiative wissen will, ob ein industrielles Großprojekt verfassungskonform ist, wird sie am besten einen Verfassungsrechtler konsultieren, der sich auf die beiden umweltrechtlichen Kernartikel des Grundgesetzes spezialisiert hat.

Generell sollte man aber gerade bei umweltbezogenen Rechtsfragen schon wegen der Komplexität und Unübersichtlichkeit der umweltrechtlichen Vorschriften immer einen Anwalt beschäftigen.